VISAGES de FEMMES B

 

Visages de femmes
Gewôhnlich muB man ein Tuch von der Wand abhângen, um "Visages de femmes" zu sehen. So schützt sich D.B im Augenblick vor deren Aufdringlichkeit, vor deren Einladungen zu Irrungen und Fantasmen, denen er zu ausgesuchten Zeiten dennoch gern erliegt.
Louvre-Gemâlde
Fernsehwerbung
Schaufenster puppen
Louvre-Besucherinnen
Grabsteinmedaillons
 
schaffen ebensoviele Referenzen, Frauentypen aus denen der Blick Verwandschaften sammelt, einen besonderen Weg einschlagt, auf dem der Charme eine wesentliche Rolle spielt. Dieses Verführungsvermôgen, das jenseits des Begriffs der Schônheit hinausreicht, stellt auch einige Fragen zu diesem Phânomen sowie zu der Auswahl, die in diesem Polyptychon ausgedrückt wird.
Warum kein Star der Frauenszene oder keine Feministin, kein Star des Showgeschâftes, der Kunst, der Literatur, der Politik? Der Ansatz einer Antwort wâre, dass diese falschen, anekdotischen Stars den Platz und die kôrperliche, triviale und tâgliche Wirklichkeit der Frau im Alltag usurpieren, der irnmerwâhrenden Frau, die gleichzeitig Mutter, Freundin, Geliebte ist... Ort der Nachbarschaft, in dem sich imprâgnierte Individualitâten bilden werden.
Unter der Oberflâche lässt die Gesellschaftlichkeit môgliche ldentifizierungen mit dem Thema des Todes durchdringen, und sei es nur das Erstarrte des Anstandes, der Codes der Weiblichkeit. Dies alles, um zu unterstreichen, dass der einfache, fôrmliche, visuelle Aspekt, also auch der ästhetische Aspekt dieser Arbeit nichts als eine abgeschmackte Reduzierung wâre, wenn man dabei bleiben sollte. Dennoch trâgt unsere Aktualitât mehr denn je diesen oberflächlichen Blick, der vergleichbare Attitüden zur Folge hat.
D.B. kitzelt unaufhôrlich Journalisten, Kunstveranstalter und -manipulateure oder Handwerker (z.B. Drucker), die in beruflicher Verbindung mit der Kunst stehen, damit sie gerade aus dem strikten, professionellen Rahmen aus- und in den viel gefährlicheren
-aber wie interessanten- Rahmen des Sinnes eintreten. Und "Sinn" nicht im universitären Sinne, sondern im Sinne der Sinne, die uns unaufhörlich im Trivialen des Alltäglichen heimsuchen, wie erzogen und aufpoliert, frustriert und neurotisch wir auch sein môgen.
Viele Gesprâchspartner haben bereits auf diese Schwierigkeit des Seins verzichtet und haben sich -als einziges Credo ihrer eigenen Rettung- auf den Anstand sowie auf die sozialen und beruflichen Strukturen zurückgezogen. Respekt vor sich selbst kommt selten vor. Das Spielerische des Clownesken, des Spektakels, ersetzt ebenso das von jedem gesittet verfassten Vor-Wort freie Engagement. Geistreich zu erscheinen, erspart einem selber Geist zu haben, auch wenn beides sich verträgt.
In seinen Bild- und Textinszenierungen versucht D.B Leseautomatismen, das Oberflâchliche eingerahmter Kulturen zu stören, die unverstanden gelernt wurden und zu Nesselausbrüchen führen, zu Normkonflikten, die mit Leichtigkeit die ethnische Sâuberung auf ihr Programm schreiben. Ein trüber Aspekt der inneren Unruhe, zu der uns auch ein Celine führt, bis ans Ende der Nacht.
Indem er versucht, seine Lebensgefahrtin, die Muse, aus ihrer kulturellen Zwangsjacke zu holen, stosst D.B auf Bilder einer unumgânglichen Weiblichkeit, stellt sie einander gegenüber und meint, in diesem Verfahren Spuren seiner verwaschenen MÄnnlichkeit zu erkennen.
Diese Männlichkeit hat sich in ein Wieder-flott-machen verwickelt, das alle Schwimmarten beherrschen oder über Surfbrettarten verfügen muss, um auf ein hypothetisches Ufer zuzusurfen, zu einem trockenen, gastlichen Sand, auf dem der Phal sich in aller verdienten Ruhe strecken kann (der des Kriegers? ... Schweige und schwimm!)
Solitude, den 7. J uni 1993                                                                                              © Caspar Didier Baydrich               
Aus dem Franzôsischen übersetzt von J.-B. Joly